www.annahof-evangelisch.de

Hier finden Sie meinen Erfahrungs- und Rechenschaftsbericht zur Arbeit im Citykirchenprojekt Annahof in Augsburg und meine Abschiedspredigt vom 24.2.2013

 

 Citykirchenprojekt AnnaPunkt im Evangelischen Forum Annahof. Ein Bericht.

 1.     Einleitung

 Citykirchenprojekte sind kirchliche Projekte im urbanen Lebensfeld. Ihre Charakteristika sind:

  • Niederschwelligkeit: Der Zugang zu kirchlicher Kommunikation, Gemeinschaft und ihren Angeboten ist leicht und einfach.
  • Milieuverschränkung: Menschen verschiedener Traditionen, Gruppen, sozialen Schichten und Lebensstilen haben etwas miteinander zu tun.
  • Diakonie: Ähnlich wie Christus für uns Menschen da ist, ist Kirche „für andere“ da.
  • Fokussierung auf Gnade und Rechtfertigung: Die Stadt ist ein Lebensraum der Freiheit und der Emanzipation von Bevormundung und Angst. Weil Gott die Befreiung des Menschen will, ist die säkulare Stadt nicht gott-los.
  • Prophetische Verarbeitung der Ambivalenz des Lebens in der Stadt: Gerade dort, wo die Freiheit des Menschen ermöglicht wird, tun sich zugleich entmenschlichende Zwänge in der Stadt auf: Armut und Reichtum sind nah beieinander. Dichte, kreative Kommunikation trifft auf massive soziale Ausgrenzung. Der obdachlose Bettler ist für diese urbane Ambivalenz typisch. 

Im Augsburger Tagungs-, Bildungs- und Begegnungszentrum „Evangelisches Forum Annahof“ befindet sich der zentrale „AnnaPunkt … ansprechBar“ als Anlaufstelle für Informationen, Seelsorge, geistliche Begleitung, soziale Beratung, Kircheneintritt, Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Gesamtensemble wird getragen von der Evang.-Luth. Gesamtkirchengemeinde Augsburg und befindet sich an einem historischen, protestantisch geprägten Ort im Herzen Augsburgs. Es integriert

  • kirchliche Bildungseinrichtungen samt Erlebnispädagogik und Angeboten zur Ehrenamts-Qualifikation,
  • eine Tiefgarage in kirchlicher Trägerschaft,
  • die Vermietung von Tagungsräumen in kirchlicher und
  • eine kommerzielle und professionelle Gastronomie in unabhängiger Verantwortung.

 

2.     Charakteristika

 Präsenz am AnnaPunkt

Der zuständige Pfarrer zeigt seine kirchliche Identität auch für kirchlich Distanzierte sofort erkennbar durch das Tragen des Collarhemdes. Diese Berufskleidung ist kommunikativ höchst leistungsfähig. Die ironische Brechung durch ein unerwartetes Element, zum Beispiel eine Motorradlederjacke, verstärkt dies noch. Die Kombination von Identität und Offenheit lassen im Annahof laufend Kontakte von banal-zufällig-informierend über theologisch-orientierend bis zu seelsorgerlich-krisenintervenierend entstehen.

Oft werden bei ausländischen Touristen Fremdsprachen-Kenntnisse gebraucht. Ein gutes Theologie-Studium im Rücken zu haben, ist unabdingbar, um an einem profilierten Ort des Protestantismus auskunftsfähig zu sein. Als „frontmen“ werden in niederschwelligen Citykirchenprojekte kommunikative, selbstbewusste, gebildete, menschenfreundliche Frauen und Männer gebraucht. Sie benötigen freundlichen Humor und ein feines Gespür für das Spiel von Nähe und Distanz, weil sie oft mit Störungen und Widersprüchen zu tun haben.

Kontakte werden ebenso über (Mobil)Telefon und E-Mail geknüpft.

 Ehrenamtliche und systemisches Umfeld

Der AnnaPunkt bezeichnet zum Einen das gesamte Foyer im Augustanahaus des Annahofs. Dort können Menschen sich in konsumzwangfreier Atmosphäre treffen, begegnen, austauschen, Informationen bekommen, nach Beratung fragen und in die Kirche eintreten. Dort kann zugleich auch, wie in einem normalen Bistro, gegessen und getrunken werden, weil das kommerzielle Restaurant bei Bedarf auch im AnnaPunkt bewirtet.

Zugleich ist der AnnaPunkt auch ein Ort mit Plakaten, Broschüren, Flyern, Telefon, PC und Internetanschluss. Ehrenamtliche sind persönlich ansprechbar, für Fragen aufmerksam und zugewandt.

Jede und jeder wird angehört und mit den nötigen Informationen versorgt oder an eine kompetentere Stelle vermittelt. Manchmal sind die Ehrenamtlichen auch einfach da als ein Pol der Ruhe mitten in der Stadt an einem hoch frequentierten Ort.

Zum Dritten ist der AnnaPunkt auch alles, was sich aus dieser offenen Situation heraus an Kommunikation und sozialer Aktion ergibt.

Der AnnaPunkt ist von seiner Anlage her ein kommunikativer Prozess, der darauf vertraut, dass die Kommunikation „im Auftrag des Herrn“ hilfreiche Wirklichkeiten schafft. Er versteht sich als eine aktuelle, urbane, kreative Augsburger Versuchswerkstatt des siebenten Artikels des Augsburger Bekenntnis mitten in Augsburg.

Die Ehrenamtlichen am AnnaPunkt müssen Mut haben, um sich auf eine kommunikativ äußerst ungeschützte Situation einzulassen. Manchmal tauchen am AnnaPunkt auch Menschen auf, die schwierig sind. Neben sozial auffälligem Verhalten kommt es vor, dass Menschen sich psychisch oder religiös grenzwertig äußern. Solange professionelle Seelsorger dabei in Reichweite sind, fühlen sich Ehrenamtliche sicher.

Von Ehrenamtlichen wird abverlangt, sich in die bestehenden, sehr differenzierten Strukturen des Zentrums einzupassen. Im Gegenzug ist es aber auch wichtig, sie als gestaltende Subjekte der prozessorientierten AnnaPunkt-Arbeit ernst zu nehmen.

Die konfessionell gemischten Ehrenamtlichen arbeiten an einem Ort, der eine profilierte protestantische Identität aufweist. Wert wird darauf gelegt, dass eine grundsätzliche Freundlichkeit und Loyalität gegenüber Kirche im Allgemeinen vorhanden ist.

Ehrenamtliche am AnnaPunkt müssen in der Regel viel Zeit und eine hohe Motivation mitbringen. Es dauert lange, bis sie sich in der offenen kommunikativen Situation des AnnaPunkts auskennen und souverän, sachbezogen und persönlich einfühlend auf Fragen antworten können. Eine aufmerksame, spirituelle und coachende Begleitung durch den Leiter des AnnaPunkts ist darum geboten. Auf der anderen Seite sind Ehrenamtliche auch frei in der Gestaltung, wie engagiert bzw. assoziiert sie das Ehrenamt ausfüllen. Dabei haben sie die Möglichkeiten, eigene Ressourcen und Grenzen zu entdecken und auszutesten.

Es stellte sich im Vollzug der Arbeit am AnnaPunkt heraus, dass etliche Engagierte selbst Hilfe finden, indem sie für Hilfsvermittlungen da sind. Durch diese „doppelte Agenda“ der AnnaPunkt-Arbeit ist es unerlässlich, dass die Leitung des AnnaPunkts sehr aufmerksam für gruppendynamische Prozesse ist und sowohl einfühlsam als auch klar die Leitungsfunktion wahrnimmt. 

Informationen

Der AnnaPunkt ist ein Teil-System und achtet mit darauf, dass die wichtigen Informationen innerhalb des Gesamt-Systems sowie zwischen Annahof und Außenwelt ausgetauscht oder abgeglichen werden können. Er ist das systemische Öl im Getriebe. 

Geistliche Begleitung

„Geistliche Begleitung“ wird im Annahof durch den zuständigen Pfarrer als „Geistlicher Begleiter“ angeboten. Diese besondere Form der Seelsorge hilft, bei Begleiteten die Berufung zu klären.

Als Begleitete tauchen nicht selten Menschen mit großen Problemen auf, die mitunter schon eine lange Such-, Therapie- und Leidensgeschichte hinter sich haben. In der „Geistlichen Begleitung am Annahof“ werden dabei seelsorgerliche Aspekte und Kompetenzen aus dem „Neuro-Linguistischen Programmieren“ (NLP, eine Form der Kurzzeittherapie) aufeinander bezogen, theologisch verantwortet und seelsorgerlich gerahmt. Neu ins Bewusstsein kommt die Beobachtung, dass therapeutische Hilfe Geld kostet oder mit teilweise langen Wartezeiten verbunden ist. Menschen, die hier durch das Netz der Hilfsangebote fallen, fragen immer öfter im Annahof nach „Begleitung“ an, die kostenlos ist.

Viele Beratung Suchende kommen selbst aus helfenden Berufen. Das Aufeinander-Bezogensein von spirituellen, seelsorgerlichen, therapeutischen und beratenden Elementen wird geschätzt. 

Seelsorge und Psychotraumatologie

Da Menschen, die schon eine „Therapiekarriere“ durchlaufen haben, verstärkt nach Begleitung und Hilfe suchen, werden die Herausforderungen an den Begleitenden immer schwieriger. Eine Ausbildung in Psychotraumatologie bei der Stiftung der Evang.-Luth. Kirche in Bayern „Wings of Hope“ hilft dies zu bewältigen. Neben Seelsorge und Geistlicher Begleitung wird auch Psychoedukation und Traumaberatung angeboten, aber Psychotherapie im professionell qualifizierten Sinn ausgespart. 

Motorradgottesdienste

Seit dem Jahr 2006 werden zweimal jährlich auf der Annahof-Piazza Motorradgottesdienste gefeiert. Rückmeldungen und Presseresonanz sind erfreulich. Aber zugleich ist klar: Motorradgottesdienste im Annahof zielen nicht auf den event, sondern auf die gelungene Kommunikation des Evangeliums im nicht-kirchlichen Milieu. So gibt es zum Beispiel keine Motorrad-Segnung mit magischen Missverständnissen. Es werden Menschen unter Handauflegung und persönlichem Gebet und Zuspruch gesegnet. Maschinen erhalten keine „Weihe“.

Im Frühjahr 2011 ermöglichte der ADAC und Bayern 3 eine Kooperation beim „Start-Up-Day“ auf dem ADAC-Testgelände. Eine Motorradfahrer-Segnung mit über 1000 Besuchern wurde gefeiert. Auch in der Bethlehemgemeinde in Wertingen im Dekanat Augsburg ist  ein Motorradgottesdienst in der Saison 2011geplant. 

Kultur

Die Hermeneutik Paul Tillichs erweist sich seit Anbeginn der Citykirchenprojekte als tragfähig, weil Menschen auf der Suche sind nach dem, „was uns unbedingt angeht“ und so „über unser Sein und Nicht-Sein entscheidet“.

In kulturellen Äußerungen wie Kunstausstellungen finden sich Elemente und Motive, die gleichnis- bzw. anschlussfähig sind für die Kommunikation des Evangeliums. Die korrelative Hermeneutik Paul Tillichs klärt und beflügelt solche Begegnungen. 

Psychosoziale Begleitung von Migranten

Migration ist heilig und gleichnisfähig für die Beziehung des Menschen zu Gott und zu sich selbst. Die Bibel redet unablässig von freiwilligen und unfreiwilligen Migranten. Ihnen und durch sie ist nach Genesis 3, 1-3 Gottes Segen verheißen.

Es wurde im Migrantenmilieu nicht bewusst geworben, aber die informelle Mund-zu-Mund-Propaganda führte zu einem regelrechten Boom dieses Ineinanders von Seelsorge, kirchlicher Bildungs- und Sozialarbeit, so dass im Jahr 2006 über 1000 „Fälle“ begleitet wurden. Zugleich ist die Frage, ob Migranten im bildungsbürgerlichen Milieu wirklich erwünscht sind, geblieben. 

Ökumene

Cityseelsorge ökumenisch

In Augsburg gibt es den katholischen Moritz- und den evangelischen AnnaPunkt. Sie sind gut 300 Meter voneinander entfernt in der Fußgängerzone zu finden. Die nicht-kirchliche Öffentlichkeit unterscheidet nicht mehr zwischen katholisch und evangelisch, sie unterscheidet zwischen Kirche und Nicht-Kirche.

Beide Anlaufstellen sind im Sprecherteam des bundesweiten Netzwerks Citykirchenprojekte vertreten. 

 „Künstler helfen Obdachlosen“ (s.u.)

Im Jahr 2006 war die Initialzündung für ein jährliches, stadtweit vernetztes Kunst-event mit Bildungs- und Kulturveranstaltungen, Auktionen und Ausstellungen an verschiedenen Orten. Seit 2010 ist auch die prominente „Toskanische Säulenhalle“ der Stadt Augsburg einer der Ausstellungsorte. International renommierte Künstler wie Günther Ücker unterstützen diese Aktion mit ihren Werken. Neben den Benefizeinnahmen für die Obdachlosen- und Gefährdetenhilfe konnte das Thema „Armut“ im Zentrum der Stadt präsentiert werden. 

Ort der Bildung

Bildung und „Konziliarer Prozess“

Bildung fördert ethisches Bewusstsein. Bildungsarbeit kommt zu ihrem Ziel, wenn sie Handlungsperspektiven, die dem Leben dienen, aufzeigt.

Der AnnaPunkt ist darum ein Ort, an dem sowohl ethisch relevante Informationen zu bekommen sind als auch Handlungsperspektiven ausprobiert werden können. Dies geschieht in erster Linie durch Angebote des „fairen Handels“ und durch Benefizaktionen.

Vernetzung der Bildung

Bildung wird im Citykirchenprojekt Annahof nicht neu erfunden. Sie hat eine sehr prominente Tradition durch die Geschichte des Protestantismus in Augsburg und insbesondere im Annahof. In der Gegenwart wird dieses Erbe kreativ und dialogfähig weiter geführt durch den Bildungsbereich des „Evangelischen Forums Annahof“. Der AnnaPunkt hat dabei den Fokus darauf, neue Milieus, Schichten und Lebensstile anzusprechen. 

Kircheneintrittsstelle

Die Kircheneintrittstelle ist Teil des AnnaPunkts. Er dient als Anlauf- und Vermittlungsstelle für Kircheneintrittswillige. Die (Wieder)Aufnahme erfolgt durch ordinierte Haupt- und Ehrenamtliche im Rahmen des geltenden Kirchenrechts. Seit Herbst 2010 wird sie vom Leiter des AnnaPunkts mitbetreut.

„Inklusiv“ am AnnaPunkt: Niederschwellige Beratung der Offenen Behindertenarbeit im Annahof und andere Angebote

Die Angebote der offenen Behindertenarbeit sind in Augsburg auf verschiedene kirchliche und nicht-kirchliche Träger verteilt und dezentral angesiedelt. Am AnnaPunkt bieten sie zentral Beratungszeiten der offenen Behindertenarbeit gemeinsam an. Beratung in Mobbing-Angelegenheiten und eine ehrenamtlich verantwortete, qualifizierte Nachbarschaftsmediation wurde am AnnaPunkt ebenso aufgenommen. 

Suche nach der guten Struktur für den Annahof

Die Arbeits- und Leitungsstruktur des Annahofs ist historisch zufällig gewachsen.

Im Jahr 2010 stellte sich der Annahof unter der Marke „Evangelisches Forum Annahof“ neu auf. Nach Außen werden die Kommunikationsbemühungen gebündelt. Nach Innen wird der Annahof-Ausschuss als quasi Kirchenvorstand des Forums und ein Annahof-Leiter etabliert. Die Ergebnisse werden in den Gremien und den kirchlichen Milieus gelobt. Zugleich bleibt die Milieuverschränkung als missionarische Herausforderung eine bleibende Aufgabe. Das kirchliche Milieu ist nämlich vor die Frage gestellt, ob es nur über oder auch mit anderen Milieus reden will. 

Visionärer Ort für das, was noch keinen Ort hat.

Der Annahof ist ein guter, kommunikativer und kraftvoller Ort. In religiöser Sprache: Er ist gesegnet. Der AnnaPunkt dient im Gesamtensemble als Katalysator und Kristallisationspunkt für Menschen, Ideen, Visionen und Kooperationen. Diese inspirieren wiederum andere Gruppen, Kreise und Kooperationen.

Zu nennen wären u.a. die Projekte „Synchronisation in Birkenwald“, eine performance des Theaterstücks von Viktor Frankl in Kooperation mit dem Frankl-Forum Augsburg und „Schutzschilder“, ein traumatherapeutisch und seelsorgerlich begleitetes Kunstprojekt im Bereich sexueller und häuslicher Gewalt (s.u.). 

3.     Zu beachten

 Im Augsburger Citykirchenprojekt wollen Erfahrungen weiter gegeben werden. Sie ermutigen, Ähnliches zu wagen.

 Erfolg einkalkulieren

Der Annahof als Gesamtprojekt ist ein Erfolg:

  • Es wird mehr Geld eingenommen als in den Haushaltsplänen angesetzt.
  • Er ist häufig und prominent in der Presse.
  • Mit geringen Ressourcen wird ein profiliertes Gesamtprogramm, das in der Stadtkultur fest verankert ist, verwirklicht.
  • Die Rückmeldungen der kirchlich distanzierten „postmodernen Flaneure“ sind sehr positiv.
  • Es finden im persönlichen Rahmen sehr viele qualifizierte seelsorgerliche Gespräche, theologisch profilierte Kommunikation und spirituelle Begleitung statt. Es entsteht eine Dynamik, die Geistliches und Soziales verschränkt.

 Zugleich ist die Beobachtung zu machen: Der Erfolg ist auch ein Stolperstein, weil er Stress und Konflikte produzieren kann. Darum sollte in Zukunft bereits in der Planungsphase eines Citykirchenprojekts auch mit dem Erfolg desselben wirklich gerechnet werden, um Reibungsverluste schon vorab zu minimieren. 

Profit- und Non-Profit-Strukturen aufeinander beziehen

Im Annahof als eine Zukunftswerkstatt für unsere Kirche treffen Non-Profit-Strukturen, die durch Kirchensteuermittel vollends finanziert werden müssen, auf kommerziell orientierte Bereiche. Solche Profit-Strukturen eröffnen neue Finanzierungsquellen für kirchliche Arbeit. Beide Sektoren, der kommerzielle und der nicht-kommerzielle, sollten in der Leitung eines Citykirchenprojekts eng verknüpft sein, um Synergien strukturell zu verankern.

 Milieuverschränkung und Niederschwelligkeit ernst nehmen

Die Kombination von Bildungs- und Tagungszentrum mit einem niederschwelligen Anlaufpunkt legt nahe, dass strukturell sich Angehörige verschiedener Milieus begegnen können. Über die „niedrige Schwelle“ springen oftmals andere, als anfangs erwartet wurde. Wer niederschwellige Angebote macht, sollte auch, „Ja“ dazu sagen, dass Kontakt mit dem sozial Fremden entsteht. 

Prozessorientierung wagen

Wer offen und niederschwellig arbeiten will, weiß nicht genau, was entstehen wird. Der Prozess rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er hat eine spirituelle Dimension. Die Kategorie des „Unverfügbaren“ tritt in die konkrete Arbeit ein und orientiert sich erwartungsvoll auf das „Noch Nicht“ des Reiches Gottes. Gerade die „Geistliche Begleitung“, ermöglicht hier einen bewussten Zugang zur Prozessorientierung. Sie braucht Liebe und Mut zur Freiheit, um sich nicht im bekannten Gegenspiel von Charisma und Amt aufzureiben.

„Seele der Stadt“ sein und Gottes Option für die Armen wahr nehmen

Von den Anfängen der Citykirchenprojekte bis in unsere Gegenwart hinein, lenken Citykirchenprojekt die Aufmerksamkeit auf die besondere Ambivalenz des urbanen Lebens: Hohe Kommunikationsdichte, Möglichkeiten der Milieuverschränkung, Durchlässigkeit der Milieus für soziale Auf- oder Abstiege und Kreativität treffen auf soziale Spaltungsprozesse auf engstem Raum. Theologisch halten Citykirchenprojekte Gottes Option für die Armen wach. Spaltungsprozesse werden in symbolischen Aktionen und zeichenhafter Kommunikation überwunden. Mitten in der Stadt öffnen sich der Himmel und Hoffnungshorizonte. 

Postmoderne Flaneure in den Blick nehmen und „One-Touch“-Kommunikation üben

Menschen in der Stadt sind auf der Suche, ohne immer zu wissen, was sie suchen. Diese Suche kann durchaus auch lustbetont sein. Der schweifende Blick in die Schaufenster, das Vorbeischlendern an Angeboten, die ästhetische Ansprechbarkeit und die Freiheit der Flaneure, selbst zu bestimmen, wann und wie ein Angebot mehr Aufmerksamkeit bekommt, ist typisch für die Stadt. Auch Touristen sind in dieser Hinsicht „postmoderne Flaneure“.

Will Kirche „im Auftrag des Herrn“ kommunizieren, muss sie sich auf diese Kommunikationsbedingungen von Anfang an einstellen, weil es für gelungene Kommunikation in der säkularen Stadt meist nur einen kurzen Versuch gibt.

Ein Paradigmenwechsel von der parochial geprägten Logik kirchlicher Kommunikation, die das Element der Stetigkeit in sich trägt, hin zu offener, kurzer, hoch-symbolischer „One-Touch“-Kommunikation könnte angesagt sein.

Das „Neuro-Linguistische-Programmieren“ (NLP) als Kurzzeit-Therapie und zugleich als eine Art Sammlung der „best-of“-Kommunikationsmöglichkeiten verleiht hier Kompetenz genauso wie die Erfahrungen der Medien- und Werbewelt. Zugleich ist eine hohe theologische Reflexionskompetenz gefragt, um die „Sache“ des Evangeliums mit der Kürze der Kommunikationsprozesse zusammen zu bringen.  

4.     Anregung

Aufgrund der gemachten Erfahrungen wird angeregt, dass Citykirchenprojekte unter einer einheitlichen Leitung, die den Profit- und den Non-Profit-Bereich umfasst, geführt werden sollten und zugleich ein klares Mandat für die niederschwellige, milieuverschränkende Arbeit der Citykirchenarbeit erhalten. Die Nähe zu historischen, kraftvollen, profilierten, „heiligen“ Orten wäre angemessen und hilfreich.

Anmerkungen:

 Literatur zur Citykirchenarbeit:

·         Klaus Teschner: Anfänge der Citykirchenarbeit im Rheinland, in: Citykirchenarbeit. Grundlagen, Modelle, Impulse zur sozialen und kirchlichen Arbeit, hg.v. Engelbert Kerkhoff u.a., Mönchengladbach, 2004 (Schriften des Fachvereins Sozialwesen der Hochschule Niederrhein, Bd. 37), S. 11 – 20.

·         Matthias Sellmann: Touch and go. Das Bewährungsfeld der City-pastoral, in: Pastoralblatt der Diözese Aachen, 59. Jg. (2007), Heft 8, S. 247 – 255.

·         Uwe Vetter: Nouvelle Eglise – Kirche für Unkirchliche, in: Rolf Stolina u.a.: Handbuch Gemeinde & Presbyterium, Spiritualität, Medienverband der Evang. Kirche im Rheinland, o.O., 2001, 1. Aufl., S. 159 – 165.

·         Wolfgang Huber u.a. (Hrsg.): Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge. Die vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Gütersloh, 2006.

·         EKD-Texte 93: Gott in der Stadt. Perspektiven evangelischer Kirche in der Stadt, Hannover, 2007

 Literatur zur korrelativen Hermeneutik und zur korrelativen Kulturtheologie:

·         Paul Tillich, Systematische Theologie Band I, Berlin, 1958.

·         Paul Tillich, Systematische Theologie Band III, Berlin, 1958. 

Literatur zur Geistlichen Begleitung:

·         Dorothea Greiner u.a. (Hrsg.): Wenn die Seele zu atmen beginnt … . Geistliche Begleitung in evangelischer Perspektive, Leipzig, 2007, 2. Aufl..

·         Klemens Schaupp: Gott im Leben entdecken. Einführung in die geistliche Begleitung, Kevelaer, 2006.

·         Fulbert Steffensky: Schwarzbrot-Spiritualität, Stuttgart, 2006.

·         www.bahnhof-k.de, Johanna Fischer und Frank Witzel: Macht, Ohnmacht, Liebe im Horizont der Logotherapie und der „Geistlichen Begleitung“. Vortragskonzept

 Literatur zum Neuro-Linguistischen-Programmieren:

·         Robert B. Dilts: Die Veränderung von Glaubenssystemen. NLP Glaubensarbeit, Paderborn, 1993.

·         Thies Stahl: Neurolinguistisches Programmieren (NLP). Was es kann, wie es wirkt und wem es hilft, Mannheim, 1992, 2. Aufl..

·         Gerd Bauer: NLP in der Kirche. Eine Praktisch-Theologische Untersuchung zur Anwendung der Methodik des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) in kirchlichen Handlungsfeldern, Heidelberg, 2002.

 Paradigmatische biblische Bezüge:

·         Die Tischgemeinschaft Jesu als Begegnung der Verschiedenen,

·         die paulinische Ekklesiologie nach Röm 12, 1.Kor.12, Gal 3,

·         Freiheit und Auswahl nach 1. Thess 5, 21,

·         prozessorientierte Pneumatologie nach Joh 3.

 Internet:          

www.annahof-evangelisch.de

www.skm-augsburg.de/html/_benefizveranstaltungen.html

www.citykirchenprojekte.de (Augsburg I)

Frank Witzel, Augsburg im Juni 2011

 

 

P Abschied aus Augsburg, 24.2.2013, Frank Witzel

 Liebe Abschiedsgemeinde in Augsburg,

 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

 Um ein Citykirchenprojekt mit niederschwelliger Kommunikation in Augsburg aufzubauen, wurde ich vor 7 Jahren und 11 Monaten als Annahof-Pfarrer eingestellt. Nun gehe ich und erinnere mich an die Worte im Hebräerbrief im 13. Kapitel: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

 Ich gehe ins Kleinwalsertal, in die Berge. Dazu betet der Psalm 121:

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen. Und der dich behütet schläft nicht. Sieh der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht. Der Herr behütet dich, der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand. Dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der Herr behütet dich vor allem Übel. Er behütet deine Seele. Der Herr behütet deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.“

Jesus formuliert als Bergprediger in Matthäus 5 ähnlich poetisch und grundsätzlich zugleich: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“

Ich fahre gern Motorrad und liebe es, in den Bergen zu wandern. Beides schenkt Glück. Ich mache oft die Erfahrung: Wer das Glück anderer Menschen befördern will, braucht selbst einen guten Zugang zu den Quellen des Glücks. Das Gute wächst nicht aus Defizit- sondern aus Überschusserfahrungen.

In Gedanken gehe ich mit Ihnen heute auf den Watzmann bei Berchtesgaden.

Wir starten am Fuß des Berges im Wald, sehen die grünen Bäume, atmen frische Luft und spüren Kraft in uns. Der Blick weitet sich ab der Baumgrenze. Wir sehen den Watzmann-Gipfel, daneben das Kar mit Geröll und Schneeflecken vor blauem Himmel.

Je höher wir kommen, desto weiter wird der Blick und desto größer wird der Abstand zu allem, was uns im Alltag bedrängt.

So klein wird alles. Der Sinn wird frei für das Wesentliche. Wir genießen, dass das tägliche Gezeter, wer was wann wem wozu und wie gesagt hat, weit weg ist und Frieden in die Seele einkehrt. Wichtiges und Unwichtiges, Wesentliches und Unwesentliches wird neu geordnet. 

Der Weg führt ab dem Watzmann-Haus über Felsen.

Darauf sehen wir Versteinerungen und die Strukturen von geschwungenen Blättern. Sie erinnern uns daran, dass die Alpen einst Teil eines Meeres waren. Vor Urzeiten! Unser Leben ist sehr relativ. So klein und so kurz! Unsere Kultur und die Geschichte des Annahofs gleichen einer Sternschnuppe. 

Wir kommen an am Gipfel. Wir sehen das kleine eiserne Gipfelkreuz mit golden angestrichenem Christus. Und eine Trauer taucht aus der Tiefe auf, weil ein Prediger der Sanftmut grausam zu Tode gebracht wurde.

 Wir setzen uns demütig und müde zu seinen Füßen, lehnen uns am Kreuz an und blicken in die Ferne: Erhabene Schönheit der Natur und der Abstand vom Alltag weit unten!

 Wir atmen tief und entspannt. Der Atem kommt von ganz alleine und automatisch. Zugleich ist er ganz und gar ein Teil von uns.

Wir denken dabei an den Bergprediger und Gleichnis-Erzähler, an dessen Kreuz wir lehnen: Das Reich Gottes wächst wie die Saat im Frühjahr und der Sauerteig beim Brotbacken, ganz automatisch, sagt Jesus. Es genügt, sich in die Dynamik des Reiches Gottes hinein zu begeben und das Gute geschieht.

 Zugleich spüren wir unsere Füße.

Uns fällt dabei auf: Jesus war in seinem kurzen Leben ein Gehender, ein Migrant. Schon vor seiner Geburt gingen Maria und Joseph unter politischem Zwang von Nazareth nach Bethlehem, danach floh das Liebespaar mit Kind in den Schutz des ägyptischen Asyls. Dann Rückkehr und wandernde Suche nach Heimat und Identität in Nazareth und am Genezareth. Die, die Jesus in die Nachfolge rief, wanderten ebenso mit ihm. Jesus wanderte auch als Provokateur des Establishments in Jerusalem. Dort wurde er Opfer eines doppelten Justizmordes, eingefädelt von den politisch und religiös Mächtigen.

 Unsere Kirche sagt, „Jesus Christus ist die Mitte der Heiligen Schrift“.

 Und in der Tat, der Migrant Jesus öffnet uns die Augen: Die Bibel ist von Anfang an, „seit Adam und Eva“ ein Buch der Migranten: Auch Kain und Abel, Abraham, Isaak, Jakob, Esau, die Kinder Israels in Ägypten, der Auszug aus Ägypten, das Babylonische Exil, Jesus, Paulus und der Verfasser der Johannes-Offenbarung: alle unterwegs, freiwillig und unfreiwillig, alles Migranten, Flüchtlinge oder Deportierte! Auch die Juden mit den Palästinensern stehen in dieser Tradition.

Wir blicken in das „Steinerne Meer“, der Horizont ist weit und wir verstehen das Wesentliche im Wechsel der Zeiten: Wir sind durch die Bibel eng mit den wandernden Sippengesellschaften des Vorderen Orients und mit der Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft verbunden. Ihnen wie uns ist der Impuls der Freiheit, der Gleichheit und der Gerechtigkeit durch unseren Glauben eingestiftet.

 Darin wurzelt die Sozialkritik der alttestamentlichen Propheten, die zornig sind, wenn Arm und Reich auseinander geht.

Darin wurzelt Jesu Einladung in seine Tischgemeinschaft, der sanft und universal den Impuls „Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit!“ auf nimmt, weil das gelungene Leben dadurch wächst, dass Gott selbst die Gerechtigkeit und Freiheit schafft, weil Gott allen(!) seine Gnade schenkt – auch über die Grenzen der Schuld und des Todes hinweg. „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen“ lautet die Kurzform der Botschaft Jesu.

Um dies zu zeigen, versammelte Jesus alle(!) an seinen Tisch: die politischen Gewalttäter aller Seiten, die Super-Gerechten und die Prostituierten, die Opfer und die Täter, die Reichen und die Armen, die In- und die Outsider. Heilige Milieuverschränkung!

 Paulus, auch ein Migrant und Briefeschreiber in Gottes Namen, nimmt Jesu Beispiel auf und formuliert für Europa, was in Asien begann:

  1. Ein Leib viele Glieder, das ist Kirche!
  2. Die Gnade ist das absolute Zentrum des Glaubens und Handelns.
  3. Für Verurteilungen ist kein wirklicher Grund vorhanden.
  4. Wir leben, weil Gott in uns lebt. Wir handeln, weil Gott in uns handelt. Wir sind erwählt.
  5. Alles, was wir tun, geschieht aus einem positiven Überschuss – aus Dankbarkeit, aus Freude, aus Wertschätzung, aus Liebe und Mut zum Leben. 

Wir stehen am Watzmann-Gipfel auf. Ein neues Gefühl der Eigentlichkeit und Entschlossenheit ist in uns. Wir atmen tief ein und ahnen, was die Kraft der Auferstehung für Jesus und uns bedeuten könnte.

 Mit Sanftmut und Kraft treten wir den Rückweg wieder an. Wir kennen ihn und kehren zurück nach Augsburg, sehen den Bahnhof, Königsplatz und Maxstraße. Zuletzt setzen wir uns im Annahof auf die Bühne der Piazza.

Während wir den Hollbau, Augustanahaus und Annakirche anschauen, wird uns bewusst, was dort geschieht und geredet wird. Worte und Bilder einer Stadt begegnen den Einsichten auf dem Berg. Dabei werden 7 Impulse klar: 

  1. Dass Augsburg sich als integrative Friedensstadt versteht und das Grundgesetz mit den Worten beginnt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist das Evangelium in weltlicher Gestalt für unsere Gesellschaft in der Stadt und im Staat. Hier wirkt die Tradition des auferstandenen Bergpredigers weiter.
  1. Milieuverschränkung, Interkultur, Integration und Inklusion sind heilig. Hier wirkt die Tradition der Tischgemeinschaft Jesu weiter.
  1. Konsumzwangfreie Zonen sind heilig - nicht nur im Wald und auf dem Berg sondern auch mitten in der Stadt und ihren kirchlichen Einrichtungen! In der Konsumzwangfreiheit entdeckt mensch, dass wir um unserer selbst willen wertvoll sind – und nicht aufgrund unserer Leistungsfähigkeit. Hier, im einfachen Da-Sein, entdeckt mensch den Sinn seines Daseins, verstehen wir, was Gnade ist. Konsumzwangfreie Zonen sind so heilig wie Altar und Kanzel, weil sie die Botschaft des Evangeliums in sich tragen. Sie zeigen: Das Leben ist kein „Deal“ sondern letztlich ein Geschenk und ein Vertrauensprojekt. So sind Kirchensteuern und Spenden gute Wege, um ökonomie-freie Zonen bewahren zu können. Wenn das Bekenntnis klar abgelegt wird, dass ökonomie-freie Zonen Gott die Ehre und den Menschen Raum zum Leben geben, können Kirchen sich auch getrost öfter über Parkgaragen oder anderes ko-finanzieren.
  1. Dass kirchliche Kooperationen und Synergien gesucht werden, ist eine Konsequenz der Vision von Kirche als ein Leib mit vielen Gliedern. Und in Zukunft werden wir auch gar nicht mehr die Kraft haben, alle Kirchen zu renovieren, zu heizen, zu betreuen und mit Leben zu füllen. Es wird Zeit, differenzierte Nutzungen für die Kirchen zu finden. Nicht jedes Glied des Leibes soll alles machen. Aber die Kommunikation und die Wertschätzung unter den einzelnen Teilen ist heilig.
  1. Gerechtigkeit ist machbar, Herr Nachbar! Im Alltag gibt es viele Möglichkeiten: fair trade Waren im Weltladen, Arbeitslosenfrühstück im Annahof, Grandhotel, Wärmestube, Tafel e.V. und viele andere Aktionen. Wir werden dadurch die Welt nicht(!) retten. Das macht Gott. Aber wir können in unserem Bereich unseren Worten und Einsichten Kraft geben, indem sie für einen überschaubaren Bereich ausprobiert werden. Wenn dies gelingt, wird die Welt sich ein Beispiel daran nehmen. Diakonie ist Kirche in den Gässchen und mitten im Leben der Kirchengemeinden, der innerstädtischen Höfe und Plätze. Ethisches Handeln zeigt Wege aus der Ohnmacht, ist wirtschaftlich nachhaltig und seelisch heilsam, weil es den Zynismus eindämmt. Die Regel der „Geistlichen Begleitung“ lautet: „Fange klein aber definiert an!“
  1. Es entspricht dem Evangelium, dass wir vom ständigen Freund-Feind-Denken und dem Hang zu Beurteilungen in Politik und Kirche verdrossen sind. Gott wirkt alles in allem und ist alleiniger Richter, nicht wir. Im Grunde sehnen wir uns nach echten Wertschätzungen auch in den Differenzen. Wenn diese Erkenntnis einzieht, werden politische und kirchliche Institutionen attraktiv. Menschen werden sich gern einbringen, weil sie so Sinnerfüllung, Lebensfreude und soziale Kreativität mit Geborgenheit kombinieren können. 
  1. Citykirchenprojekte und das niederschwellige Arbeiten sind ein gelingendes Modell für die Zukunft von Kirche in der Stadt, weil sie den 7. Artikel des Augsburger(!) Bekenntnisses ernst nehmen. Er steht in jedem Evangelischen Gesangbuch und betont die Selbstwirksamkeit des Wortes Gottes: Das Wort der Gnade schafft die Kirche! Wenn die Kommunikation des Evangeliums stimmt, wird auch bei geringen Finanzmitteln die Botschaft der Liebe Gottes von sich aus Kreise ziehen und gute Strukturen schaffen - auch in einem offenen System, wie es die postmoderne, säkulare Stadt darstellt. Um Niederschwelligkeit zu verwirklichen, wurde ich vor 7 Jahren und 11 Monaten als Annahof-Pfarrer eingestellt. Mit geringsten Mitteln hat sich rund um den AnnaPunkt eine Kommunikation „im Auftrag des Herrn“ und in Sachen Seelsorge entwickelt, die ich vorher nicht kannte – weder in meinen noch in anderen Arbeitsbereichen. Ich merkte aber auch: Die Zeit der Citykirchenprojekte ist noch nicht da. Die Widerstände sind groß und elastisch. Ich gehe. Andere Menschen werden die Vision zukünftig voran bringen.

Ich gehe, die Botschaft bleibt.

Die „großen Themen“ sind nicht weg. Die „großen Erzählungen“ warten noch. Wir kommen in ihnen vor als Schriftsteller und Akteure. Wir begeben uns hinein in das Mögliche, in das Gute, in die Dynamik des Reiches Gottes, in das mystische Leben, das aktiv und kontemplativ zugleich ist.

Dazu segne uns Gott heute und alle Tage unseres Lebens.

 Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.